Ernst Schläpfer ist eine Ikone des Sägemehls. In den 1980er-Jahren gewann er fast alles, was es im Nationalspiel zu gewinnen gibt: Zweimal das Eidgenössische, als einziger amtierender Schwingerkönig überhaupt den Kilchberger Schwinget, die prestigeträchtigen Bergfeste (Brünig, Rigi, Schwarzsee, Stoss) sowie sämtliche Teilverbandsfeste.
Acht Gänge, acht Siege
1980 gelang ihm am Eidgenössischen in St. Gallen ein seltenes Kunststück: Der damals 24-jährige Agronomie-Student gewann alle acht Gänge.
Technik und Trainingslehre
Schläpfer besass eine stupende Technik – und er war einer der ersten Schwinger, die sich mit Ernährungslehre und Trainingswissenschaften befassten. Später wurde der Appenzeller Obmann des Eidgenössischen Schwingerverbandes und begleitete das Nationalspiel mit Bedacht in die Moderne. Er ermöglichte den Athleten persönliche Werbung, war aber auch immer ein Mahner gegen die Überkommerzialisierung.
Das unbestechliche Auge
Sportlich besitzt er auch mit 69 Jahren noch das unbestechliche Auge. Deshalb ist es keine schlechte Idee, dem Fachmann gut zuzuhören, wenn er seine Prognosen für das Eidgenössische in Mollis abgibt.
Weder Giger noch Staudenmann
Im Gegensatz zu vielen anderen Experten sind für ihn weder der Nordostschweizer Samuel Giger noch der Berner Fabian Staudenmann die Kronfavoriten. Beide seien zwar körperliche Ausnahmeerscheinungen, doch technisch fehle ihnen die Vielseitigkeit.
Ganz grundsätzlich kritisiert Schläpfer eine Verarmung der Technik: «Die meisten Schwinger beherrschen nur zwei Schwünge in Perfektion». Komplexe Züge wie den Schlungg dagegen sehe man heute kaum noch.
Wicki mit zwei Gestellten
Das könne für die Favoriten in Mollis zu Problemen führen: «Wenn sich ein guter Gegner nur verteidigt, hat auch ein Topmann wie Giger Mühe, den Gang zu gewinnen». Dass man mit zwei Gestellten König werde, wie Joel Wicki vor drei Jahren, sei zwar möglich, aber doch die grosse Ausnahme.
Gigant Reichmuth
Entscheidend seien auch Erwartungshaltung und taktische Ausgangslage. So tendiert Schläpfer auf einen Mann als Königstipp, den nicht alle ganz oben auf der Rechnung haben: auf den 29-jährigen Zuger Pirmin Reichmuth. Wenn es dem 198-cm-Hühnen gelinge, sein Potenzial im entscheidenden Moment auszuschöpfen, sei er ein ganz heisser Königsanwärter, so Schläpfer.