An der Eggstrasse in Herisau steht ein Gebäude, das durch seine Grösse und Bauweise auffällt. Es wurde zwischen 1903 und 1905 im Auftrag von Rudolf Fastenrath (1856–1925) als Tonhalle mit angeschlossenem Kurhotel erstellt. Die liberale Haltung Ausserrhodens bezüglich Heiltätigkeit zog auch den Westfalen Rudolf Fastenrath an, der 1872 zusammen mit seiner Mutter nach Herisau zog und eine Naturheilpraxis eröffnete. Als der damals erst 16-Jährige sich in Zeitungsinseraten als «Dr. med. sex.» für Geschlechtskrankheiten empfahl, entwickelte sich dies zu einem Skandal. In der Appenzeller Zeitung erschienen unzählige Leserbriefe zum Thema – manche lobten Fastenraths Heilkunst, andere waren entsetzt. Schliesslich wurde ihm vorübergehend die Bewilligung entzogen.
Ein Paradiesgarten, Affenkäfige und eine Tonhalle für Herisau
Tonhalle mit Kurbetrieb für «Nervenschwache, Blutarme oder Bleichsüchtige»
Später betrieb Fastenrath eine erfolgreiche homöopathische Praxis, zu der auch ein Versandhandel für homöopathische Heilmittel und homöopathischen Kaffee kam. Er legte neben seinem Wohnhaus einen Paradiesgarten mit Affenkäfigen und Bierhalle für die Öffentlichkeit an und da er mit seiner «Klinik zum Paradies» mittlerweile sehr erfolgreich war, baute er aus Dankbarkeit eine Tonhalle für die Bevölkerung von Herisau. Das grosse Gebäude, in dessen grossem Saal bis zu tausend Personen Platz fanden, war aber auch ein Kurhaus für «Nervenschwache, Blutarme oder Bleichsüchtige». Der wirtschaftliche Erfolg des ambitionierten Projekts blieb jedoch aus und Fastenrath verkaufte die Tonhalle 1911 an das Herisauer Stickereiunternehmen Sonderegger & Co. Er kehrte Herisau den Rücken und zog ins Tessin. Heute gehört die ehemalige Tonhalle von Herisau der Firma Klebetechnik AG.
Quelle: Obacht Kultur 2012/3, Rahel Lämmler: Tonhalle Herisau