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Herisau
13.07.2025

Der «barfüssige Heiland» und die Villa Sorgenfrei

Die ehemalige Villa Sorgenfrei heute. Bild: herisau24.ch / cv
Anfang des 20. Jahrhunderts liess der Herisauer Kaufmann Ernst Ulrich Buff am Nieschberg die Villa Sorgenfrei erbauen – als Ausdruck einer weltanschaulichen Vision. Heute dient das Gebäude Menschen mit psychischen, suchtbedingten oder kognitiven Beeinträchtigungen als Wohn- und Beschäftigungsort.

In den Jahren 1907/08 liess der Herisauer Ernst Ulrich Buff (1873–1931) am Nieschberg die Villa Sorgenfrei – auch Villa Buff genannt – errichten. Der Bau entstand nach Plänen des Kölner Architekten H. Grunwald nach den Prinzipien naturgemässer Lebensformen und war von einer theosophischen Weltanschauung geprägt: Drei Türme und vier Geschosse sollten die sieben Bewusstseinsbereiche des Kosmos symbolisieren.

Auch die Ausstattung war bemerkenswert: Türen, die sich nicht durch Niederdrücken, sondern durch Anheben der Klinken öffnen liessen, der Verzicht auf Schlösser – und eine 40 Meter hohe Windturbine auf dem Treppenhausturm, die elektrische Energie für Lichtbäder und Beleuchtung erzeugte. Farbgebung und Bauweise machten die Villa zu einem Ausdruck spiritueller und gesellschaftlicher Utopie.

Luftaufnahme von Walter Mittelholzer, 1921. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / LBS_MH03-0428

Ein unerwarteter Lebenslauf

Ernst Ulrich Buff wurde 1873 in Herisau geboren, als Sohn des Inhabers der damals grössten Stickerei im Industriequartier Säge-Nieschberg. Mit nur 26 Jahren trat er als Teilhaber in die väterliche Firma ein und wurde später Alleininhaber. Auch politisch war er aktiv: 1905 wurde er in den Gemeinderat von Herisau gewählt. Alles deutete auf eine klassische Industriellenlaufbahn hin – doch Buffs Leben nahm eine unerwartete Wendung.

Ausgelöst durch ein schweres Fussleiden seiner Frau wandte sich Buff zunehmend der Naturheilkunde und vegetarischen Lebensweise zu. Er war Mitbegründer des Naturheil-Vereins Herisau und veröffentlichte Schriften wie das Büchlein «Lebe dich gesund an Körper und Geist». Ab den 1920er-Jahren geriet er unter den Einfluss seines christlich-fundamentalistischen Schwiegersohns. 1924 gründete er die 4-L-Stiftung (Lerne Lange Leidlos Leben). Bald nannte man ihn in Herisau den «barfüssigen Heiland». Es kam so weit, dass Buff unter Vormundschaft gestellt wurde. In der Folge wanderte er nach Brasilien aus, wo er fünf Jahre später bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam.

Heutige Nutzung

Nach 1930 wurde die Villa als Naturheilanstalt weitergeführt. Die 1973 gegründete Stiftung Best Hope wandelte das Gebäude in ein Heim um – zunächst zur Rehabilitation und Wiedereingliederung von Suchtkranken. Heute bietet die Stiftung Wohn- und Beschäftigungsangebote für Männer und Frauen mit psychischen, suchtbedingten oder kognitiven Beeinträchtigungen. 

Quelle: Geschichte der Gemeinde Herisau, Appenzeller Verlag, 1999, S. 259.

Claudia Vamvas