Recycling Chammerholz: Damit Entsorgen wieder Spass macht
Die Abfallmengen nehmen seit Jahren immer weiter zu, aber auch das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit dem Abfall ist grösser geworden: „Immer mehr Leute entscheiden sich dazu, ihren Abfall zu recyceln und somit einen positiven Beitrag für die Umwelt zu leisten“, sagt Gemeinderat und Ressortchef Tiefbau/Umweltschutz Peter Künzle. Dadurch benötige man stetig mehr Kapazitäten. Diese konnten in Herisau nun mit der neuen Recyclingstelle Chammerholz geschaffen werden.
Win-Win gelangt an Grenzen
Vor 22 Jahren habe man die Recyclingstelle Win-Win Markt an der Cilanderstrasse eröffnet: Damals habe man vor denselben Herausforderungen wie heute gestanden – und gedacht, mit dem Win-Win eine zukunftsorientierte, langfristige, nachhaltige Lösung gefunden zu haben. Aber das Areal in der Nähe zum Zentrum gelangte in den vergangenen Jahren immer mehr an seine Grenzen: „Wer dort unten mal entsorgt hat weiss, dass die Autoschlangen teilweise kein Ende nahmen“, so Künzle. Auch die Kapazität der Lagerung und Weiterverarbeitung an dem Standort seien erschöpft gewesen. Eine neue Lösung musste her.
Alte Kehrichtdeponie
Bereits 2011 begab sich die Gemeinde auf die Suche: Ein Areal zu finden, dass mindestens 2‘000 Quadratmeter aufweist und möglichst kostenschonend umgebaut werden kann, gestaltete sich jedoch schwierig. Mit dem Areal der ehemaligen Tiefbaufirma Alder hat die Gemeinde jedoch 2021 ein geeignetes Objekt gefunden. Das Gebiet war zudem von 1934-1972 eine Kehrichtdeponie. „Hier wurde der Müll abgeladen und plattgedrückt“, erklärt Künzle. „Dies hat jedoch zum Nachteil, dass der Boden immer noch in Bewegung ist.“ Das Absacken des Grundes sollte auch eine der grössten Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung werden.
A2 Architekten verantwortlich
Von der Idee bis zur Umsetzung zeichnete das Architekturbüro A2 Architekten AG Herisau verantwortlich: Christoph Stauffer und Gerold Schurter leiteten die Gesamtorganisation von A bis Z. Für sie war es das erste Projekt dieser Art. „Uns war es ein Anliegen altes und neues miteinander zu verbinden und möglichst viel von dem, was schon vor Ort war, mit einzubeziehen – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft einer Entsorgungsstelle“, so Schurter. Mit Kreativität und Flexibilität hätten die Architekten den neuen Reyclinghof erfolgreich umgesetzt, lobt Künzle.
Herausforderungen gemeistert
Dies trotz einiger grosser Herausforderungen: „Die Errichtung auf einer alten Deponie, deren Boden sich immer noch bewegt und absinkt, war nicht einfach“, so Schurter. Hinzu kam der kleine finanzielle Rahmen, in dem man sich bewegen musste. Eine weitere Herausforderung sei die Erfüllung des Energiegesetzes gewesen: „Wir arbeiten hier im offenen Aussenbereich, brauchen aber auch beheizte Räume, damit das Personal sich aufwärmen und eine angenehme Pause haben kann.“ Alles aufeinander abzustimmen und gesetzeskonform umzusetzen, sei nicht immer einfach gewesen.


Tosam bleibt Partner
Die Recyclingstelle wird, wie bereits der Win-Win-Markt, gemeinsam mit der Tosam-Stiftung betrieben. „So können wir nicht nur für eine effizientere und bessere Abfallwirtschaft sorgen, sondern auch neue Arbeitsplätze im zweiten Arbeitsmarkt schaffen und erhalten“, sagt Künzle. „Wir sind stolzer Partner der Gemeinde für diese neue Recyclingstelle“, sagt Marcel De Tomasi, Geschäftsleiter der Tosam Stiftung. Der Betrieb einer solchen sei typisch für Tosam: „Wir handeln hier ganz im Sinne unseres Leitbildes ‚Wertschätzen & Wertschöpfen‘. Diese moderne, zeitgemässe Anlage ist ein Beispiel für die Pionierarbeit der Gemeinde Herisau“, sagt De Tomasi und betont damit die Vorreiterrolle, die Herisau in puncto Umweltschutz seines Erachtens seit langem einnimmt.
Ausbildung zum Recyclist ist beliebt
„Wir sind dankbar für die Zusammenarbeit: Es war ein grosser Schritt, der Mut brauchte. Umso mehr freut es mich, dass wir heute eröffnen können.“ Ausbildungstechnisch habe man schon zahlreiche Bewerbungen auf den Lehrantritt als „Recyclist“ ab August erhalten. Auch das sei ein Zeichen dafür, dass die Bewusstheit der Menschen in Bezug auf die Vorteile der Kreislaufwirtschaft gestiegen sei. „Der beste Abfall ist jedoch noch immer der, der gar nicht produziert wird“, schliesst Peter Künzle die offizielle Eröffnung von Recycling Chammerholz.
Selbstorganisiert und angeleitet
Bereits kurz nach 9 trudeln die ersten Kunden ein: Von den 12 Parkplätzen sind 6 besetzt. Die Kunden begeben sich zu den blau beschilderten Entsorgungscontainern im Aussenbereich: In den Containern dürfen sie ihre Pappe, Papier, Glas, Alu und Co. selbstständig entsorgen. Bei Fragen stehen die Tosam-Mitarbeiter zu Verfügung und geben eine Einweisung in die neuen Abfallorganisation. Auch Grünschnitt kann gegen eine Gebühr abgegeben werden. Für Giftstoffe stehen im Aussenbereich Wannen zur Lagerung parat, die ein allfälliges Auslaufen abfangen und so den ordnungsgemässen Gewässerschutz sicherstellen.
Müll-Waagen mit Computer
Eines der Autos an diesem Montagmorgen ist voll beladen mit kostenpflichtigen Wertstoffen: Die Abgabe dieser erfolgt im Inneren der Halle – auf den roten Schildern erkennen die Kunden alle Materialien, die sie gegen Geld entsorgen können. Auf Transportwagen, die zur Nutzung zur Verfügung stehen, wird der Müll von einem Tosam-Mitarbeiter gewogen. Die in den Boden eingelassenen Wagen sind geeicht und mit einem Computer an der dahinterliegenden Säule verbunden. Dieser misst das Gewicht und druckt es auf eine Wertmarke. Mit dem Beleg können die Kunden dann zum Kassenhäuschen gehen und die Entsorgung bezahlen. Der Müll wird anschliessend von den Mitarbeitern fachgerecht sortiert.
Keine Wartezeit
Familie Enzler ist an diesem Morgen auch schon früh zum Entsorgen unterwegs: „Die andere Stelle hatte montags geschlossen, deswegen haben wir gleich heute den Weg auf uns genommen.“ Dienstagmorgen sei im Win-Win immer schon viel los gewesen – man habe oft lang warten müssen. Anstehen musste Familie Enzler heute nicht. Mit als erste waren sie vor Ort – und sind positiv überrascht: „Am Anfang muss man sich natürlich erstmal orientieren, aber alles ist sehr ordentlich und man hat viel mehr Platz.“
Bessere Öffnungszeiten und Angst vor Verkehr
Der Grünschnitt wurde von einem Mitarbeiter zum Kompost gefahren. Glas, Papier und Co. kann man dann parallel schnell selbst entsorgen. „Ein grosser Vorteil sind die besseren Öffnungszeiten an sechs Tagen die Woche“, sagt Frau Enzler. Ein bisschen kritisch sieht sie jedoch die Verkehrssituation. „Wir hoffen, dass der Verkehr nicht zunimmt und es zu langen Rückstaus kommt, sowie es am Win-Win-Markt immer der Fall ist.“ Darüber zu urteilen sei jedoch noch zu früh: „Da muss man dann in einem halben Jahr mal schauen, wie sich alles entwickelt hat.“

