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Kanton AR
21.11.2023
21.11.2023 13:29 Uhr

Gemeindefusion: Stimmen aus den Parteien und Verbänden

Bild: Kanton AR
Der Stichtag zur Abstimmung über die potenzielle Gemeindefusion in Appenzell Ausserrhoden rückt näher: Am Sonntag, 26. November, entscheidet das Stimmvolk über den Gegenvorschlag und die Eventualvorlage der Regierung. Doch wie positionieren sich die Parteien und bestimmte Verbände genau? Eine Übersicht zu den Stellungnahmen.

Genauso divergent wie die Meinungen in der Stimmbevölkerung, sind auch die Meinungen der Parteien und Verbände in Bezug auf den abzustimmenden Gegenvorschlag und der Eventualvorlage. In einigen Fällen wurde von der Parolenfassung abgesehen, da auch intern zu viel Uneinigkeit über die Abstimmung herrschte. Die Tendenz der Aussagen lässt jedoch darauf schliessen, dass eine Befürwortung des Eventualantrages näher liegt, als eine Annahme des Gegenvorschlages. Allein damit könne jedoch eine demokratische Grundlage geschaffen werden, die freiwillige Fusionen ermöglicht sowie erleichtert. Der Gegenvorschlag der Regierung spaltet die Lager zunehmend und lässt grossen Interpretationsspielraum für vor- und nachtteilige Auswirkungen.

Bauernverband AR
Der Präsident des Bauernverbandes Beat Brunner erklärt auf Anfrage, dass die Vorstandsmitglieder sowie alle Präsidenten der Sektionen entschieden haben, auf eine Parole zu verzichten. Die Abstimmung sei jedoch sehr wichtig: an einem verbandsinternen Anlass hätten Regierungsrätin Katrin Alder sowie Kantonsrat Walter Raschle die Anwesenden zur Vorlage informiert.

Gemeindepräsidienkonferenz AR
Da auch die Gemeinden unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die Abstimmungsvorlage haben, herrsche auch in der Gemeindepräsidienkonferenz Uneinigkeit: Die Konferenz spricht sich allgemein dafür aus, dass Veränderungen benötigt werden und eine geeignete Lösung für unterschiedliche Herausforderungen in den Gemeinden gefunden werden muss. „Der Weg könnte aber auch ein anderer sein als eine Fusion“, sagt Reto Altherr, Präsident der Gemeindepräsidienkonferenz und Gemeindepräsident von Teufen. „Wir unterstützen Diskussionen und Bestrebungen, die zu Lösungen führen und sind dabei offen für Veränderungen.“ Allerdings sei es wichtig, nur da zu handeln, wo auch wirklich Bedarf bestehe.

Gewerbeverband AR
Der Vorstand des Gewerbeverband empfiehlt sowohl die Annahme des Gegenvorschlags als auch der Eventualvorlage – bei der Stichfrage erteilt er Stimmfreigabe. Veränderungen bei den Gemeindestrukturen seien zwingend nötig, stünden die kommunalen Verwaltungen doch vor immer grösseren Herausforderungen. Weniger Gemeinden würden mehr Einheitlichkeit und Professionalität mit sich bringen: Insbesondere für die Unternehmen aus der Baubranche erhofft sich der Gewerbeverband so eine Verbesserung. „Aus aktuell 20 verschiedenen Baureglementen würden einheitliche Reglemente, die dann auch schneller bearbeitet werden könnten.“

Lehrerinnen- und Lehrerverband Appenzell A.Rh. (LAR)
Der LAR habe sich gegen eine explizite Abstimmungsempfehlung bezüglich des Gegenvorschlages ausgesprochen, erklärt der Präsident des Verbands Michael Weber auf Anfrage. „Dies vor allem, da zu wenig über die möglichen Konsequenzen des Entscheids bekannt ist“, sagt er und kritisiert damit die fehlenden Detailinformationen zur Abstimmungsvorlage. Auch können man im Bereich der Schulen und Schulstandorte aktuell keine Vorteile aus einer Fusion erkennen. Im Gegenteil befürchte man eher, dass einzelne Schulstandorte hinterfragt werden und dies negative Auswirkungen auf das schulische Angebot von einzelnen Gemeinden haben könnte. „Einen Abbau des Bildungsangebots lehnen wir natürlich entschieden ab“, so Weber. Die Befürworter der Vorlage garantierten zwar, den Erhalt der Basisstufen an den bisherigen Standorten, fraglich seien aber die von Primarschulen (Mittelstufen) und Sekundarschulen (Oberstufen). Dem LAR sei es wichtig, in den jetzigen Gemeinden das bewährte Angebot der Volksschule (Kindergarten bis Oberstufe) beizubehalten. „Das Bildungsangebot vor Ort ist ein wesentlicher Bestandteil eines familienfreundlichen Kantons.“
Die Annahme der Eventualvorlage sähe der LAR weniger kritisch, da die Schulen so nicht direkt unter Druck geraten würden: „Einzelne Gemeinden können dann auf freiwilliger Basis fusionieren und prüfen, ob und wie sie das schulische Angebot vor Ort anpassen wollen.“ Der LAR befürworte freiwillige Zusammenschlüsse: „Der Kanton soll fusionswillige Gemeinden unterstützen und begleiten. Er soll Rahmenbedingungen schaffen, welche Fusionen begünstigen.“ Dabei sollten eigenständige, starke Gemeinden jedoch nicht zu Fusionen gezwungen werden.

Die Mitte AR
Die Mitte Appenzell Ausserrhoden empfiehlt sowohl ein „Ja“ zum Gegenvorschlag als auch der Eventualvorlage. Bei der Stichfrage spricht sie sich für die Annahme des Gegenvorschlages aus. Die Umsetzung des Gegenvorschlages sei essenziell, da nur ein gemeinsamer Entwicklungsprozess alle weiterbringen können. Die Eventualvorlage würde zu wenig verändern. „Dass die Ausserrhoder Gemeindestrukturen überdacht und weiterentwickelt werden müssen, ist für die Mitglieder der Mitte Appenzell Ausserrhoden unbestritten“, heisst es in der Medienmitteilung der Partei. Sie verspricht sich von der Annahme des Gegenvorschlages, dass die kommunalen Behörden weiterhin handlungsfähig bleiben und für die Zukunft gerüstet sind. Dieser nehme alle Gemeinden gleichermassen in die Pflicht – nicht nur jene, die unter Druck stünden. Die Mitte wertet die Eventualvorlage weniger lösungsorientiert: „Damit werden unattraktive Gemeinden noch mehr ins Abseits geraten, obschon die Aufgabenfülle der Gemeinden nur gewinnbringend bewältigt werden kann, wenn keine Gemeinde von zielführenden Fusionen ausgenommen wird.“ Es bestehe jetzt bereits Handlungsbedarf: Mit der Annahme der Eventualvorlage sei ein lösungsorientiertes Handeln in den nächsten Jahren unwahrscheinlich.

FDP.Die Liberalen AR
„Die Delegierten der FDP bevorzugen die Fusion aus der Gemeinde heraus und möchten nicht, dass der Kantonsrat eine Gemeindestruktur entwickelt“, sagt Jörg Lutz, Leiter der Geschäftsstelle der FDP AR, auf Anfrage. Die Entscheidungsautonomie der Gemeinden zu erhalten, sei wichtiger als die vom Kantonsrat aus der Verwaltungsperspektive vorgeschlagene Neustrukturierung – zumal diese eine Grundlage der direkten Demokratie sei. Die Delegiertenversammlung der FDP stimme daher der Annahme der Eventualvorlage zu, der Gegenvorschlag der Regierung würde jedoch abgelehnt. Käme es zur Stichfrage würde die Eventualvorlage bevorzugt.

Weiter betont die FDP, dass sie sich nicht gegen Fusionen stelle: Diese sollten einfacher möglich, aber nicht erzwungen sein. Sollte der Gegenvorschlag angenommen werden, befürchtet die FDP die Vereinigung von Gemeinden, die sowohl bei der Abstimmung als auch bei der späteren Neuordnung der Gemeinden dagegen votieren. „Dies käme einer von aussen vorgegebenen Auflösung gleich, ohne dass die betroffene Gemeinde jemals zugestimmt hat“, erklärt Lutz. In der Regel und historisch betrachtet seien Fusionen in der Schweiz nur möglich, wenn die Stimmbürger der betroffenen Gemeinden einverstanden sind. „Dies entspricht auch dem demokratischen Verständnis und der liberalen Haltung der Mehrheit der Delegierten“, sagt Lutz.

GLP Appenzellerland
Die GLP Appenzellerland empfiehlt zweimal „Ja“ und in der Stichfrage für den Gegenvorschlag zu stimmen, sagt Co-Präsidentin Tanja Grosjean auf Anfrage. Es sei unbestritten, dass sich in Gemeindeverwaltung und -politik etwas bewegen müsse: Die Gemeindeverwaltungen sollten effizienter und kompetenter aufgestellt sein. Die Annahme des Gegenvorschlages sie eine sinnvolle, praktikable und zeitnahe Lösung für den ganzen Kanton, auch wenn noch vieles unklar sei und das entsprechende Gesetz erst noch erarbeitet werden muss. „Wir würden uns im Kantonsrat und in den Gemeinden im Hinblick einer starken Beteiligung des Volkes bei der Umsetzung einsetzen.“ Die Annahme der Eventualvorlage sei ebenso zielführend, weil damit Fusionen ermöglicht und gefördert würden. „Hier besteht aber die Herausforderung, dass finanzschwache Gemeinden Fusionspartnerinnen suchen müssen“, sagt Grosjean. „Wenn eine Gemeinde jedoch kaum mehr Personen mobilisieren kann, die sich für die verschiedenen Ämter zur Verfügung stellen, wenn sie nicht genügend Mitarbeitende findet, die das nötige Fachwissen mitbringen oder wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten gerät, macht eine Fusion mit einer oder mehreren Gemeinden Sinn.“ Die GLP bewertet Gemeindefusionen als zielführende und zukunftsfähige Lösungen, ist sich aber bewusst, dass die auch der Eigenverantwortung der Gemeindemitglieder schaden könnten: „Es besteht die Gefahr der sinkenden Wahlbeteiligung und der fehlenden Bereitschaft, sich auf Gemeindeebene zu engagieren“, sagt Grosjean.

SP AR
Die SP AR befürwortet den Gegenvorschlag des Regierungsrats und ist der Ansicht, dass die Reduktion auf 3 – 5 Gemeinden der richtige Weg ist, um den Kanton voranzubringen und die Gemeinden professioneller sowie effizienter zu machen. „Wenn es zwanzig Verwaltungen für insgesamt knapp 56'000 Einwohner gibt, dann ist dieses System nicht effizient“, heisst es in der Medienmitteilung. Es ginge darum, zu kleine und häufig überforderte Verwaltungen im Zusammenschluss wieder handlungsfähig zu machen, sagt Annegret Wigger, Präsidentin der SP Vorderland: „Die entstehenden grösseren Gemeinden, könnten ihre Aufgaben wieder weitgehend selbst erfüllen und müssten diese nicht mehr an andere Trägerschaft auslagern.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass die Bürger/innen dann für vergleichbare Steuersätze auch vergleichbare Leistungen erhalten würde, so Wigger.

Felix Leu, Präsident der SP Teufen, ist sich sicher: „Ein ‚Ja‘ zur Fusion ist nachhaltiger als ständige Zahlungen in den Finanzausgleich.“ Eine grosse Benachteiligung von reicheren Gemeinden sieht er nicht: Eine Gemeinde Mittelland hätte immer noch einen tiefen Steuerfuss, aber biete dafür mehr Raum, wo in Teufen heute fast kein Bauland mehr zu finden ist. Auch für die Eventualvorlage fasst die SP AR die Ja-Parole, um so die Streichung der Gemeinden aus der Verfassung zu erwirken und so künftige Fusionen möglich zu machen. Sollte es zur Stichfrage kommen, empfiehlt die SP die Annahme des Gegenvorschlags.

SVP AR
Die SVP spricht sich generell für die Annahme der Eventualvorlage aus, da diese künftige Gemeindefusionen ermöglicht. Der Gegenvorschlag wird abgelehnt. „Die Gemeinden behalten mit der Eventualvorlage die grösstmögliche Autonomie und entscheiden selbst, ob und wie Fusionen aus dem Volk angestossen werden“, sagt Anick Reto Volger, Präsident der SVP AR. Die Verantwortung und allfällige Projektplanung würden dabei von den Gemeinden respektive deren Bürgern getragen. „So bleibt die Selbstbestimmung der Gemeinden erhalten und das Volk hat das letzte Wort.“ Zusätzlich unterstütze der Kanton bei Annahme der Eventualvorlage Gemeinden, die fusionieren wollen, administrativ und finanziell, wodurch Fusionen auch für struktur- und finanzschwache Gemeinden möglich würden. Die SVP sei prinzipiell nicht gegen Fusionen, es dürfe nur nicht dazu kommen, dass funktionierende Gemeinden zu Fusionen gezwungen würden. „Der Gegenvorschlag der Regierung ist zudem nicht demokratisch, können doch kleinere Gemeinde überstimmt werden.“

Bei einer Annahme des Gegenvorschlages laufe man ins Ungewisse: Die SVP befürchtet den Eingriff der Regierung in die Finanzhoheit der Gemeinden: Im schlimmsten Fall würden Voranschlag, Investitionen und Steuerfuss einer Gemeinde dann kantonal 'bewilligt'. Des Weiteren kritisiert die Partei, dass insbesondere auch das Thema Raumplanung offen sei: „Bis ein neuer kommunaler Richtplan und die dazugehörenden Instrumente rechtsverbindlich in Kraft sind, werden Jahre ins Land ziehen und es besteht die Befürchtung, dass die Bautätigkeit für Private und Gewerbe in dieser Phase quasi stillsteht“, erklärt Volger.

herisau.24/Vanessa Vogt