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Lifestyle
16.01.2023
16.01.2023 17:06 Uhr

Die Schweizer Tracht: Zwischen Mode und Alltag

Hohe Handwerks- und Nähkunst ist nötig für die Herstellung von Trachten. Bild: unsplash.com © anniespratt
In der Schweiz wird die Tracht nicht als Modeartikel, sondern als Kulturgut angesehen. Mit mehr als 700 verschiedenen Modellen verbindet die traditionelle Tracht Bedürfnisse spezifischer Berufsfelder und Ortschaften.

Was ist eine Tracht und wann wird sie heute getragen?

Als Trachten wird jedes Teil, welches sich aus modischen oder traditionellen Gründen am Körper des Trägers befindet, beschrieben. Dazu gehören Kleidung, Schmuck, Frisuren, Make-up, Accessoires und spezielle Abzeichen. Als kulturelles Kleidungsstück werden sie heute überwiegend auf Festen oder im Tourismus getragen.

In der Schweiz lassen sie sich vermehrt bei Veranstaltungen von Trachtengruppen wiederfinden. Als Freizeitgestaltung kümmern sich die einzelnen Gruppen um die Planung und Umsetzung spezieller Feste. Auf diesen werden jährlich Volkslieder gesungen und getanzt. Besonders bekannt ist die Züri-Wiesn, das eidgenössische Trachtenfest und das fünf Jahre stattfindende schweizerische Trachtenchortreffen. Besonders traditionelle Familien tragen sie zudem weiterhin zu familiären Veranstaltungen wie Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Trauerzeiten. Die üblichsten Farben der Trachten sind dabei rot, blau, grün, braun und schwarz.

Massgeschneiderte Kleider aus der Heimat

In der früheren Modewelt galt die Devise „massgeschneidert statt massenproduziert“. Standard- und Konfektionsgrössen gab es noch nicht. Jede Tracht wurde individuell geschneidert, sodass der Träger sie lebenslang tragen kann. Die damaligen Schneider setzten dabei einen besonders hohen Wert auf die Qualität der Materialien. Je nach Anwendung mussten die Materialien ihre Träger vor verschiedenen Einflüssen schützen.

Der Umschwung zur Massenproduktion startete mit der industriellen Epoche, in welcher selbst gemachte Kleider immer seltener wurden. Um ein passendes Stück für jeden zu gewährleisten, wurden verschiedene Grössentabellen erstellt. Diese variieren von Land zu Land. In der Schweiz sowie in ihren Nachbarländern Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, Dänemark und in den Niederlanden setzt man auf dieselben Massangaben. Wer seine Masse genau kennt, kann heute, ohne jedes Kleidungsstück probieren zu müssen, schnell und sicher einkaufen.

Die Geschichte der Schweizer Tracht

Die traditionelle Schweizer Tracht wurde ursprünglich lediglich von der bäuerlichen Bevölkerung getragen. Genäht aus gröberen Stoffen wurde sie von Bauern für die harte Arbeit auf den Feldern und auf dem Hof getragen. Ist die Tracht gerissen oder kaputt gegangen, so wurden sie wieder zusammengeflickt oder wiederverwendet.

Einen Unterschied zwischen Werktags-, Sonntags- oder Festtagskleidung gab es erst im Verlauf der Zeit. Erst im frühen 19. Jahrhundert kleideten sich Bauern, Winzer, Köche und Behördenvertreter, um sich von anderen abzuheben. So wie ein Akzent die Herkunft einer Person verraten kann, können die Schweizer an ihrer Kleidung erkennen, aus welcher Region eine Person stammt. In streng protestantischen Gebieten war die Kleidung bescheiden verziert, während in den katholischen Staaten eine aufwendigere Kleidung bevorzugt wurde.

Die Revolution der Tracht: Veränderungen und Einflüsse

Die Kleidungsstücke spiegeln als Kulturgut die Bräuche und Lebensweisen ihrer früheren Träger wider. Mit der Zeit mischten sich verschiedene Heimatstrachten, woraufhin sie immer mehr als Mode angesehen wurden. Besonders stark veränderte sich ihr Aussehen im 18. Jahrhundert. Bauernkinder, die aus dem Kriegsdienst zurückkehrten, brachten in dieser Zeit fremde Stoffe und Trachten mit in die Heimat.

Eine besonders gefragte Tracht war die oberbayrische Gebirgstracht – und dies nicht ohne Grund: Die bayrische Gebirgstracht zählt wegen ihres Aussehens zu den bekanntesten Trachten weltweit. Das sogenannte Dirndl (traditionelles Kleid) und die typische Lederhose werden dabei besonders mit dem bayrischen Oktoberfest verbunden. Auch in der Schweiz kann man auf den heutigen Trachtenfesten gewisse bayrische Akzente wiederfinden.

Im Laufe der Jahre orientieren sich die heimatssässigen Schneider immer mehr an europaweiten Trends, wodurch die Trachtenmode immer facettenreicher wurde. Diese Facetten werden heute in drei Gruppen unterteilt:

  1. Gruppe: Erneuerte Trachten, welche nach den historischen Vorbildern gefertigt und von Trachtenvereinen gepflegt werden.
  2. Gruppe: Historisch-orientiere Trachten, welche den traditionellen stark ähneln und nur im Detail variieren.
  3. Gruppe: Moderne Trachten, welche den traditionellen kaum ähneln.

Wie zieht man eine traditionelle Sonntagstracht an?

Grundsätzlich lässt sich eine typische Tracht ähnlich wie ein Kleid anziehen. Das Anfertigen und Tragen von Trachten ist in der Schweiz jedoch traditionelle durch verschiedene Vorschriften geregelt. Diese werden bis heute auf den jährlichen Jodlerfesten, Musikantenstadln, Landfrauen-Chuchis und beim Sechseläuten geehrt. Folgende Regeln lassen sich noch heute auf den Schweizer Trachtenfesten finden:

  • Es wird nur die Tracht der eigenen Heimat getragen. Hat die Heimat unterschiedliche Trachten, so wird die des genauen Wohnorts getragen.
  • Die Tracht befindet sich im eigenen Besitz und wird nicht ausgeliehen.
  • Die Tracht wird nicht mit anderen Kleidungsstücken kombiniert.
  • Beim Tragen der Tracht darf kein nacktes Bein zu sehen sein.
  • Im Haar tragen verheiratete Frauen eine silberne Schaufel namens Scheyfili. Unverheiratete Frauen schmücken sich mit einer roten Zipfe. Traditionell tragen unverheiratete Frauen zudem einen reich verzierten Filigranpfeil.

Die bekanntesten Trachten der Schweiz

Wer sich eine Schweizer Tracht anschaffen möchte, hat mittlerweile viele Optionen. Zu den bekanntesten Frauentrachten gehört dabei die schwarze Bernertracht. Diese wurde zur damaligen Zeit eher von reicheren Personen getragen, da sie traditionelle mit Silberschmuck verziert ist. Eine weitere sehr beliebte Tracht ist die Engadinertracht, welche aus rotem Wollstoff besteht.

Neben der Bernertracht und der Engadinertracht setzte sich außerdem die Wehntalertracht als besondere Sonntagstracht durch. Die im Kanton Zürich sässige Wehntalertracht erkennt man an ihrer leuchtend blauen Schürze. Die bekannteste traditionelle Herrenbekleidung der Schweiz ist die Appenzeller Sennentracht mit ihrer gelben Lederhose und roten Chinohose, der schwarzen kurzärmligen bestickten Samtjacke und der traditionell bestickten blauen Sennechutteli-Bluse.

pd. / herisau24.ch